Angelika
11. Juli 2017
Simone
11. Juli 2017

Kleine Kuriositäten aus dem Leben einer Mann-zu-Frau-Transsexuellen

1996 – Outing beim Hausarzt:

„Darf ich dir mal was sagen?“

„Ja, sicher.“

„Ich bin gar kein Mann, ich bin in Wirklichkeit eine Frau.“

„Darf ich dir auch mal was sagen, aber sei mir bitte nicht böse deswegen…“

„Ja, sag schon.“

„Als du vor fünfzehn Jahren zum ersten Mal in meine Praxis gekommen bist, hab´ ich mir gedacht: der ist garantiert schwul. Wie du geredet hast, wie du dich gekleidet und gegeben hast: du konntest nur schwul sein.“ lacht.

 

1997 – Nach der Namensänderung, auf der Post:

„Das Paket ist für Wilhelm Erlewein. Ist das ihr Mann?“

„Nein.“

„Haben sie eine Vollmacht?“

„Nein.“

„Ohne Vollmacht kann ich ihnen das Paket nicht geben.“

„Haben sie einen Zettel? Dann stelle ich mir gleich eine Vollmacht aus.“

 

1997 – Zum zweiten Mal auf der Post:

„Die Dame bitte…“

„Ich möchte gerne dieses Paket abholen.“

„Das Paket ist für Wilhelm Erlewein.“

„Ich weiß.“

„Und Sie sind?“

„Kerstin Erlewein.“

Die Postlerin sieht mich an und überlegt. Leise zu mir: „Wilhelm ist ihr neuer Name?“

Freudig und laut: „Ihr Paket, junger Mann. Bitte sehr, junger Mann. Auf Wiedersehen, junger Mann.“

 

1997 – Nach der Namensänderung, in der Metro:

„Hier ist mein neuer Personalausweis und mein Metroausweis. Könnten sie mir den bitte umschreiben?“

„Haben sie die Firma ihres Mannes übernommen?“

„Nein.“

„Wir lassen sie doch immer mit dem Ausweis ihres Mannes rein. Ich kann den Ausweis ihres Mannes nicht einfach auf sie umschreiben.“

„Ich habe keinen Mann, das ist mein Ausweis.“

„Sind sie geschieden?“

„Nein!“ Ich zeige auf den Ausweis mit dem Namen Wilhelm Erlewein. „Das bin ich!“

„Wie, sie sind ihr Mann?“

 

1998 – Nach der geschlechtsangleichenden Operation:

„Kerstin, bist du jetzt glücklich?“

„Nein, ich bin endlich und einfach nur normal.“

 

2005 – Meine beste Freundin ist erstmals mit mir in der Selbsthilfegruppe

„Das sind ja alles noch richtige Männer hier.“

„Ja.“

„Kerstin, die werden es sehr schwer haben, bis sie Frauen sind.“

„Im Gegenteil, das waren mal welche…“

 

2008 – Bei einer Veranstaltung:

„Sie sind die Referentin für Transsexualität?“

„Ja.“

„Und sie sind selbst…?“

„Ja bin ich, wieso?“

„Ähhm…, sie sehen so…normal aus…“

„Was hatten sie denn erwartet? Stöckelschuhe, Miniröckchen, blonde Perücke?“

„Ähhm…, eigentlich…“

 

2010 – Im Dienst:

„Darf ich mal durch?“

„Was? Das ist hier das Männerklo!“

„Bei uns ist besetzt und ich muss dringend mal pinkeln.“

„Geh gefälligst hoch!“

„Stellt euch nicht so an, Jungs. Bei meiner Vergangenheit kann ich ohne Probleme auch mal auf das Männerklo gehen.“

Alle lachen. „Aber hinsetzen, bitte.“

 

2013 – Auf dem Standesamt:

„Eine Geburtsurkunde? Kein Problem. Ihr Personalausweis bitte.“

„Bitte sehr.“

„Tut mir leid, Frau Erlewein, über sie habe ich keine Akte. Sind sie sicher, dass sie in Ludwigshafen geboren sind?“

„Ganz sicher. Haben sie vielleicht eine Akte von einem Wilhelm Erlewein?“

„Die hab´ ich. Was haben sie denn mit dem zu tun?“

„Der war ich mal.“

„Was? Moment. Aha, Name und Personenstand 1998 geändert, aber man hat vergessen, den Deckel der Akte zu ändern.“

„Wie lustig. Würden sie bitte den Aktendeckel auch von Wilhelm in Kerstin umschreiben?“

„Dafür hab´ ich keine Zeit. Wenn sie wieder mal was brauchen, wissen sie ja, unter wem sie zu finden sind.“

 

2014 – In der Apotheke. Ich kaufe Testosteron, für einen Transmann:

„Testosterongel? Hat ihr Mann auch das Problem?“

„Bitte?“

„Ich verstehe das völlig. Viele Männer haben dieses Problem und leiden sehr darunter.“

„Mein Mann hat kein…“

„Für eine Frau muss das auch schlimm sein. Jede Frau wünscht sich doch eine erfüllte Sexualität.“

„Das Testosteron ist gar nicht…“

„Schon gut. Sie werden sehen, dass ihr Mann damit bald wieder kann. Übrigens, möchten sie am Samstag mal auf einen Kaffee zu mir kommen?“

 

Kerstin Erlewein, Jahrgang 1961