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Homosexualität in der deutschen Gesetzgebung

Homosexualität in der DDR
10. Juli 2017

vom Kaiserreich bis 2017

Es dauerte über 100 Jahre bis der menschenverachtende § 175 StGB, der männliche Homosexualität kriminalisierte, endgültig und ersatzlos gestrichen wurde. Die Ausdehnung des „Schwulenparagraphen“ auf Frauen wurde immer wieder in Erwägung gezogen, aber nicht umgesetzt.

1945 Besatzungsrecht: Fortbestand der §§ 175 und 175a bei unterschiedlicher Auslegung durch die Gerichte

1949 BRD: Die NS-Fassung von §§ 175 und 175a wird in das Strafgesetzbuch der Bundesrepublik übernommen.

1950 DDR: Es gilt der § 175 in der Fassung von 1871 und der § 175a mit vermindertem Höchststrafmaß.

1951/1952 BRD: Vier homosexuellenfeindliche Entscheidungen des Bundesgerichtshofes

1957 BRD: Das Bundesverfassungsgericht bekräftigt die Gültigkeit der NS-Paragraphen in der Bundesrepublik Deutschland. DDR: Keine Strafverfolgung bei einvernehmlichen homosexuellen Handlungen, solange die Männer die DDR und den sozialistischen Aufbau nicht schädigen. Die Öffentlichkeit bleibt darüber uninformiert.

1968 DDR: Aufhebung des § 175, starke Modifizierung des § 175a als § 151 (Jugendschutzparagraph), der erstmals auch sexuelle Handlungen zwischen Frauen und minderjährigen Mädchen unter Strafe stellt.

1969 BRD: Einvernehmliche gleichgeschlechtliche Handlungen unter Männern, die das 21. Lebensjahr vollendet haben, sind straffrei. § 175a entfällt als eigenständiger Paragraph und ist nun Teil des § 175. 1973 BRD: Zweite Liberalisierung des § 175: Herabsetzung der Schutzaltersgrenze auf 18 Jahre (zwei Jahre höher als bei Heterosexuellen). Männliche Prostitution wird straffrei. Der Begriff „unzüchtige Schriften“ wird durch „pornographische Schriften“ ersetzt. Vieles in Text und Bild, was vorher verboten war, wird durch diese Neufassung straffrei.

1988 DDR: Streichung des § 151 – Homosexualität war damit straffrei.

1990 Wiedervereinigtes Deutschland: zwei verschiedene Rechtslagen fĂĽr Homosexuelle im Osten (straffrei) und Westen (strafbar).

1994 Im Rahmen der Rechtsangleichung von Ost und West kommt es zur Aufhebung des § 175.

2001 Lebenspartnerschaftsgesetz: Erstmals können gleichgeschlechtliche Partnerschaften geschlossen und rechtlich anerkannt werden.

2002 Aufhebung der Urteile nach §§ 175 sowie 175a Ziffer 4 StGB für die NS-Zeit. Für die Zeit nach 1945 stehen die Aufhebung und Aufarbeitung noch aus.

2006 Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) tritt auch in Deutschland in Kraft. Es verbietet u. a. die Benachteiligung von Homosexuellen in verschiedenen Lebensbereichen.

2017 Im Sommer stimmen Bundestag, Bundesrat und Bundespräsident dem Gesetzesentwurf zur Öffnung der Ehe für schwule und lesbische Paare – und damit der rechtlichen Gleichstellung homosexueller Partnerschaften – zu.
Bundestag und Bundesrat verabschieden ein Gesetz, mit dem die früheren Verurteilungen schwuler Männer laut § 175 StGB aufgehoben werden. Jahrzehnte nach ihrer Verurteilung werden damit tausende homosexuelle Justizopfer rehabilitiert und entschädigt.

Autor*in

Wolfgang Knapp M. A., freier Kulturwissenschaftler und Kunsthistoriker. Zunächst tätig als Museumswissenschaftler sowie im Kunst- und Auktionshandel. Seit 2004 freiberufliche Tätigkeit als Kurator und Autor in den Bereichen: Regionalgeschichte, Alltagskultur, Körperbilder, Modegeschichte.

www.kulturgut-service.de