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Homosexuelle Architekten in Geschichte und Gegenwart

Jahrzehntelang keine „Wiedergutmachung“ für Schwule in der Nachkriegszeit
10. Juli 2017
Homophobie
10. Juli 2017

Der Architekt des höchsten Hauses in Ludwigshafen und sein Schloss

In der Kunstgeschichte, in Literatur und Musik ist der Blick auf das Leben und die sexuelle Orientierung  bereits Normalität, denn das Werk eines Michelangelo, Thomas Mann oder Andy Warhol wäre ohne das Wissen um ihr Schwulsein nicht zu deuten. Während wir in der Literatur zu Karl Friedrich Schinkel, Walter Gropius oder Mies van der Rohe mit großer Selbstverständlichkeit in das Privatleben eingeweiht werden, wird dieses bei bedeutenden Architekten der Vergangenheit, die der Heteronorm offensichtlich nicht entsprachen, meistens noch im mysteriösen Dunkel gelassen.

In Europa wird in der Architekturgeschichte Homosexualität bis heute wie ein Makel behandelt, der selbst bei Personen der Vergangenheit, denen ein outing nicht mehr schaden kann, nicht zum Vorschein gebracht werden soll. Ein geläufiges Muster ist dabei das Bild des einsamen Genies, das seine ganze Existenz der Architektur verschrieben hat und vor lauter Hingabe an die großen Aufgaben nicht dazu kam, ein Privatleben zu führen. Ein erster Ausgangspunkt einer vertieften und kritischeren Forschung ist die Auseinandersetzung mit dem Leben und dem Werk bedeutender Architekten mit abweichender sexueller Orientierung seit dem 18. Jahrhundert und ihren Strategien, der erst in unserer Zeit beendeten Verfolgung zu entgehen.

Im Kontext der Ludwigshafener Stadtgeschichte fällt der Blick auf den Architekten des früheren Hochhauses der BASF in Ludwigshafen. Helmut Hentrich (1905-2001) war einer der führenden Architekten der Nachkriegsjahrzehnte und bediente vorzugsweise Bauherren aus Kreisen der großen Industrie. Das in seinem Büro in Düsseldorf entworfene Friedrich-Engelhorn-Haus der BASF, das 1957 bezogen wurde, war mit 101 Metern für einige Jahre das höchste Haus der Bundesrepublik Deutschland. Helmut Hentrich erlebte fast das ganze 20. Jahrhundert und war Zeuge der in Sachen Homosexualität liberalen 1920er Jahre ebenso wie der verschärften Repression des Dritten Reiches, die sich in der frühen Bundesrepublik fortsetzte.

Seine Erinnerungen Bauzeit kann man zwischen den Zeilen queer lesen und findet Andeutungen auf Privates und schwule Freunde. Als 1969 die schrittweise Reform des berüchtigten Strafrechtsparagraphen 175 begann, ging dieser Prozess für Hentrich jedoch zu langsam voran und er legte sich in den 1970er Jahren einen vornehmen Zweitwohnsitz in den für ihre Liberalität bekannten Niederlanden zu, auf dem sein Privatleben die in seiner Heimatstadt nicht gewährleistete Abschirmung erfuhr. Das von ihm restaurierte und mit kostbarer Einrichtung versehene Schloss Groot-Buggenum vermachte er bereits 1980 der Regierung der Provinz, die auch die Polizeibehörde war.

Autor*in

Dr. Wolfgang Voigt

Bildnachweis: Wikimedia; Stadtarchiv Ludwigshafen, Archiv Kortokraks