1908 - 1943
Liddy Bacroff wurde 1908 als Heinrich Eugen Habitz in Ludwigshafen geboren. Schon früh erkannte Heinrich, dass er mit seiner mädchenhaften Art aus der Rolle fiel. Gerne tanzte er, sang Lieder und ließ sich am Klavier begleiten. Nach der 1923 erfolgten Entlassung aus der Ludwigshafener Volksschule, begann er eine kaufmännische Ausbildung, die er abbrach.
1924 wurde er aufgrund eines Vergehens „wider die Sittlichkeit“ nach § 176 Ziffer 3 RStGB vom Amtsgericht Ludwigshafen zu 6 Wochen Haft verurteilt. Da der Junge als „sittlich verdorben“ und „schwer erziehbar“ eingestuft wurde, kam er 1925 als Zögling in eine Fürsorgeanstalt. Danach war er vorübergehend als Bürodiener und Laufbursche tätig. 1929 verhängte das Amtsgericht Mannheim eine erneute zweimonatige Gefängnisstrafe wegen „widernatürlicher Unzucht“ nach § 175 RStGB.
Es hat die Rose sich beklagt,
Dass gar zu schnell der Duft vergehe
Den ihr der Lenz gegeben habe.
Da hab’ ich ihr zum Trost gesagt,
Dass er durch meine Lieder wehe,
Und dort ein ew’ges Leben habe.
Denke immer nur, mein Kind,
Dass Du endlich leben sollst –
Lang Versäumt‘s Dir nun endlich holtst.
Ende 1929 ging Heinrich nach Hamburg, bemühte sich um den Aufbau einer Existenz als ‚Transvestit‘ und Prostituierte und nannte sich fortan ‚Liddy Bacroff‘. Das folgende Leben war geprägt von der Suche nach einer eigenen Identität, Liebe und Geborgenheit und nach Möglichkeiten, den Lebensunterhalt zu bestreiten. Verurteilungen und Inhaftierungen aufgrund von Homosexualität, Prostitution und weiterer Delikte bestimmten die Jahre von 1930-1937.
Während der Gefängnisaufenthalte 1930/1931 verfasste Liddy Bacroff eigene Texte, in denen sie ihre Gefühle, Gedanken und Erlebnisse als ‚Transvestit‘ in eindringlicher Weise beschreibt.
„Freiheit! Die Tragödie einer homosexuellen Liebe.“
„Ein Erlebnis als Transvestit. Das Abenteuer einer Nacht in der Transvestitenbar Adlon!“
Nach der Haftentlassung 1938 versuchte Liddy, sich mit gefälschten Papieren der polizeilichen Überwachung zu entziehen. Sie wurde verraten und erneut verhaftet. Bei den folgenden Verhören stieß sie mit ihren ehrlichen Aussagen auf keinerlei Verständnis. Im Gegenteil: Im August 1938 wurde sie vom Landgericht Hamburg wegen „gewerbsmäßiger widernatürlicher Unzucht“ als „gefährlicher Gewohnheitsverbrecher“ zu drei Jahren Zuchthaus mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. 1942 wurde Liddy Bacroff in das KZ Mauthausen eingeliefert, wo sie 1943 ermordet wurde.
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Über die Herausforderung, einer historischen Biographie gerecht zu werden
Wolfgang Knapp M. A., freier Kulturwissenschaftler und Kunsthistoriker. Zunächst tätig als Museumswissenschaftler sowie im Kunst- und Auktionshandel. Seit 2004 freiberufliche Tätigkeit als Kurator und Autor in den Bereichen: Regionalgeschichte, Alltagskultur, Körperbilder, Modegeschichte.